Freitag, 26. November 2010
Weg und tot
Das tote Mädchen aus Bodenfelde, welches da zur Zeit in der Presse Schlagzeilen macht, war von daheim ausgerissen, bevor es ermordet wurde. Gesehen wurde sie anscheinend hier und da nochmal, schließlich fand man ihre Leiche im Wald.

In einem Leserbrief in der Zeitung schreibt jemand dazu, was ich ebenfalls seit einigen Tagen denke: wieso hat die Polizei das Mädchen nicht aufgegriffen, bevor der Irre es töten konnte?

Meine Tochter war ebenfalls ausgerissen, vor ein paar Jahren. Natürlich waren wir auch bei der Polizei. Die jedoch winkte nur ab und sagte, es sei noch zu früh für eine echte Suche. In ein paar Tagen vielleicht. Auch meine Tochter wurde hier und da immer mal wieder gesehen, vor allem in der Innenstadt bei Einbruch der Dämmerung (es war Winter seinerzeit). Wir riefen immer wieder bei der Polizei an und teilten den aktuellen Sichtungsort unserer Tochter mit. Aufgegriffen wurde sie von der Polizei jedoch nicht. Fragten wir dann nach, was die Dienststelle zu tun gedenke - unsere Tochter war fünfzehn Jahre alt - sagte man uns lapidar, man werde halt einfach die Augen offen halten. Und das in einem Tonfall, der uns sagen sollte, dass wir mit unseren Anrufen nervten und überhaupt diese Angelegenheit doch wohl eher eine Lappalie war und man wichtigeres zu tun hatte.

Nach einigen Tagen gingen wir selbst abends in die Innenstadt. Gemeinsam mit einem Nachbarn liefen wir die Straßen auf und ab und tatsächlich, sie war dort inmitten einer Gruppe anderer Jugendlichen. Während einer von uns die Verfolgung aufnahm und uns per Handy immer wieder den aktuellen Standort durchgab, informierte der Rest unserer Truppe die Polizei. Im Stadtpark schließlich, so waren wir uns sicher, würde diese Jagd ein Ende finden und wir unsere Tochter endlich von der Straße holen können. Doch, haha!, weit gefehlt. Die Polizei kam nämlich nicht. Beziehungsweise erst dann, als die große Gruppe Jugendlicher sich bereits wieder verstreut hatte und mit ihnen, irgendwo verschwunden, unsere Tochter. Eine Stellungnahme der Polizei bekamen wir dazu nicht. Kein Wort. Schweigen.

Letztendlich haben wir sie doch "eingefangen". Von einer Party aus hatte sie einen Freund angerufen. Dieser hatte sich die Nummer aus dem Display gemerkt und aus Sorge um sie uns informiert, von wo aus unser Kind angerufen hatte. Wir haben uns sofort auf den Weg gemacht, nachdem wir überflüssigerweise die Polizei informiert hatten. Am Haus angekommen, in dem die Party stattfand, hielt uns die Polizei zurück. Man wollte sich selbst darum kümmern. Das sah so aus, dass zwei Beamte vorne an der Türe klingelten und fragten, ob eine Soso und da sei. Wir waren darüber so erstaunt, dass wir uns erneut teilten und die Hälfte von uns auf der Rückseite des Hauses Stellung bezog. Und richtig, während sich vorne die Polizei abwimmeln ließ, stieg hinten unsere Tochter aus dem Fenster.

In echter Polizeimanier wurden wir dann allerdings davon abgehalten, ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Stattdessen schirmte man sie vor uns ab und verschwand mit ihr im Polizeiwagen.

Wenn ich nicht vollkommen falsch liege, wird die Polizei nach dem toten Mädchen ähnlich intensiv und durchdacht gesucht haben. Das Ergebnis davon kann man in allen Nachrichten erfahren.