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Der Bruder und die Mutter zerfleischen sich gegenseitig bis ins Elend. Ich beobachte aus der Ferne und kann nichts tun. Wüsste auch gar nicht, was zu tun sei.
Dass sie ist, wie sie ist und er ist, wie er ist. Sie, als Mädel damals zwischen zwei Buben nicht viel wert gewesen, später dann verheiratet mit Kindern, damals in den Fünfzigern, auch nur so viel wert, wie ihr der Rindsbraten gelungen war. Kein Beruf, nur Berufung: Ehemann, Kinder, Haushalt. Keine eigene Meinung, keine Wünsche, alles Wohl dem Manne, der das Geld heimbringt. Wenn man selbst nichts zu sagen hat, hat man auch keine Verantwortung für das eigene Sein. Passivität. Absolut. Und auch heute noch ist jeder andere auf der Welt mehr für ihre Befindlichkeit verantwortlich als sie selbst. Dass darunter ihre Befindlichkeit leidet, ist klar. Und wie sie ihre Umwelt sieht, aus welchen Augen, wohl auch.
Und er. Der nach dem Tod des Ehemannes sich um sie kümmerte. Immer und immer ihre Eigenarten erlebend, mitmachend. Nie war es recht, nie war es genug. Für ihn hat sie sich doch krummgemacht alle die Jahre. Für ihn und die anderen drei Kinder. Rücksichtnahme und Dankbarkeit sollten doch da endlich mal kommen! Rücksichtnahme darauf, dass sie selbst für nichts verantwortlich ist, weil ihr Sein doch keinen Wert hatte und hat. Dabei sollte er doch ihrem Sein endlich Wert geben und alles das sein und tun, was ein Mann doch so tut. Doch wie kann er Mann sein, wenn er ihr doch Kind ist? Und wie kann man sich aus alledem befreien ohne den anderen tödlich zu verwunden?
Und was soll ich tun, aus der Ferne? Es ist deren Leben, nicht meines. Und doch. Es tut weh, das so zu sehen. Wie schön könnten diese beiden es haben. Jeder für sich. Im Miteinander liegt dort kein Glück. Nicht einmal vergraben.