Hinterm Gartentor
Hinter dem großen Gartentor
kommt man sich sicher vor,
doch insgeheim ist man sich drüber klar,
dass gar nichts wirklich wunderbar,
sondern, tief unten überaus bewusst:
Es lauert stets ein Stück Verlust.
Bewahren, was einem wichtig ist,
und scheint es noch so kleiner Mist,
ist deshalb oberstes Ansinnen,
will man nicht vor vorn beginnen,
hinter irgendeinem Gartentor,
das einem kommt so sicher vor.
***
Das Ende der Klinik ist eingetreten. Verschwunden ist der Patient. In einer riesigen Wolke von Lügenmärchen auf und davon. Gelegentlich treffen böse Zeilen ein, die von Schuld und noch mehr Schuld sprechen. Dabei hat zuvor gar niemand dieses Thema angerissen. Man ist sehr verwirrt, doch der Klinikarzt beruhigt und gibt den Rat, zu tun, was nun noch zu tun ist: Abschied nehmen, gehen lassen, nichts mehr machen. Gut. Fein. Tun wir also dieses: Nichts mehr.
Es tut mir sehr leid, dass Ihre Tochter Ihnen (und im Grunde wohl auch sich selbst) so viel Kummer und Sorgen bereitet und ich wünsche Ihnen, dass Ihnen der schwere Abschied gelingt, damit es Ihnen wieder leichter wird ums Herz.
Sie selbst macht es mir gerade täglich leichter....
... und dazu gehört schon einiges.
Die Therapieabbruchquote bei den Betroffenen ist leider legendär. Vertane Chance.
Im Grunde genomme gilt diese Art der Erkrankung als unbehandelbar. Lediglich eine Strategie zur Verminderung und Vermeidung von Eskalationen können Betroffene erlernen, damit sie vielleicht nicht überall und immer von einem Drama ins nächste stolpern.
Für Eltern ist das alles sehr mühsam, behauptet doch die Statistik, dass 99 % aller Borderliner aus zerrüttenen Familien kommen, vernachlässigt, misshandelt oder missbraucht worden sind. Und von diesen 99 % sind wiederum 99 % von der Mutter so behandelt worden. Ein guter Therapeut, der seinen Patienten zugeneigt ist, wird versuchen, der Ursache auf den Grund zu gehen. Und ein guter Borderliner wird sich natürlich gerne in der Opferrolle sehen (das Leid an sich ist Balsam, Sie verstehen schon) und kann die lange Liste der eigenen Schicksalsschläge munter weiter ausbauen. Und nebenbei ist auch ein Schuldiger gefunden und die Eigenverantwortung kann endgültig an der Garderobe abgegeben werden. Hossa. Oder so.
Dabei gibt es durchaus die begründete Vermutung, dass es auch genetisch bedingt ist.
Ich las neulich irgendwo die Geschichte einer Borderlinerin Mitte 20, die Medizin studierte (Borderliner ergreifen ja ganz gerne Berufe, die irgendwie mit "helfen" zu tun haben). Die junge Frau hatte bereits diese Strategien in einer auf Borderline spezialisierten Klinik erlernt. Sie sagte übrigens explizit, dass sie eine gute Kindheit hatte - aber solche Geschichten sind in der Öffentlichkeit eben kaum bekannt.
Es scheint gerade auch modern zu sein, "was an der Waffel zu haben". Rings rum, die gesamte Nachbarschaft, kann so ein Exemplar wie meine Tochter aufweisen. Alle mit derselben Diagnose. Da könnte sich der Verdacht aufdrängen, dass borderlinsche Verhaltensmuster abgekupfert werden, um auch mal im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. (Man möge mir dieses Äusserungen verzeihen, aber ich bin sehr nah dran am Geschehen und kann einiges schon richtig einordnen und dennoch differenziert bleiben)
Soweit ich weiß, ist die korrekte Diagnose auch nicht so einfach. Was dazu führt, dass tatsächlich Betroffene mitunter erst einmal auf allerlei andere Erkrankungen behandelt werden, zumal mit dieser Störung eh häufig auch noch andere Krankheiten einhergehen.
Und was die anderen Familien in der Nachbarschaft angeht, so können die einem so oder so leid tun. Denn was muss in den Familien wie auch in den Hirnen dieser Töchter abgehen, wenn sie auf die kranke Idee kommen, solche borderline'schen Verhaltensmuster zu kopieren, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Hm. Ich weiss nicht. Ich mache mich jetzt wieder unbeliebt, aber dieses Verhaltensmuster führt fast immer zum Erfolg. Bedeutet: man bekommt, was man will. Oder eben, was man nicht will. Der meistgenannte Grund dafür, dass ein ansonsten gesunder Teenager in unserer Nachbarschaft weder zur Schule geht, noch eine Ausbildung beginnt, lautet: "Kann ich nicht, weil ich krank bin".
Da soll sich jetzt jeder selbst denken, was er mag. Oder wozu er fähig ist.
Oh, ich bezweifele gar nicht, dass Nachmacherinnen damit Erfolg haben. Aber an den Familien dürfte auch eine gefakte Störung nicht spurlos vorbei gehen.
Die puschen sich gegenseitig. Bis die Polizei kommt und das Geschrei abstellt. Wie im TV in den Nachmittagsshows.