Deutschland, du merkwürdiges Ding
Ich wollte mich nicht aufregen. Zum ersten. Und dann, zum zweiten, wollte ich mich hier auch nicht äussern. Aber inzwischen grummelt es dermassen in mir, dass ich das loswerden muss.
Tochter macht Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin. Angefangen im letzten September, reguläre Lehrzeit drei Jahre.
Vorher machte sie anderthalb Jahre lang nix, bezog Hartz4 und bekam anstandslos sowohl die Wohnung bezahlt, als auch den Regelsatz an monatlichem Lebensunterhalt.
In diesem Beruf bekommt ein Lehrling nicht viel Geld, netto sind es gerade mal 330 Euro. Die Wohnung, gleich im Nebenhaus, zwei nette kleine Zimmer mit integrierter Küche, winziges Bad, kostet 340 Euro. Da Tochter oft um 6.00 in der Früh anfangen muss und da in dieser Provinz hier um diese Zeit noch keine Busse fahren, sie auch keinen Führerschein, geschweige denn ein Auto hat, ist eine ortsnahe Wohnung für diese Lehre nötig. Da jedoch Einkommen niedriger als Miete, wird diese dem Vermieter seit einschliesslich September 2013 geschuldet (der hat allerdings vorher gewusst, dass das finanziell gar nicht passen kann...). Ob es unbedingt diese Wohnung hätte sein müssen, sei dahingestellt. Tochter ist volljährig und hat den Mietvertrag unterschrieben, bevor wir uns dazu äussern konnten.
BAB-Antrag gestellt. Massgebliches Elterneinkommen 2011 (immer vorletztes Kalenderjahr gefordert) gut. Zu gut. Eltern sollen an Tochter 430 Euro monatlich Unterhalt bezahlen. Damit hätte Tochter - 1 Person, sonst nix - 330 Euro Lehrgeld, 184 Euro Kindergeld und den Rest nach Abzug Miete in Höhe von 90 Euro auf die Hand, macht zusammen 604 Euro. Was den Eltern bleibt, mag ich hier jetzt nicht aufführen, sonst muss ich weinen.
Da wir aber schon 2014 schreiben und Elterneinkommen rapide kacke geworden ist, da Umstände inzwischen andere, Einspruch erhoben und um Aktualisierungsantrag gebeten. Vom Schlag getroffen, als Blick darauf geworfen. Detaillierte Auskünfte über Einkommen jeglicher Art in 2013, 2014 und 2015 verlangt. Bitte, wie??? Woher soll ich jetzt schon wissen, was 2014 noch kommt und 2015 möglich ist?
Grosse Sorge, dass Antrag nicht korrekt ausgefüllt werden kann, Tochter BAB bekommt und in anderthalb Jahren das Amt die Rückzahlung der Gelder fordert, welche, natürlich, die Eltern leisten müssen, welche das gar nicht können.
Zum direkten Vergleich nun dieses:
Fall A: Tochter
möchte arbeiten, hält die 6-Tage-Woche seit September durch, macht ihren Job gut, lässt sich nicht entmutigen und möchte unbedingt eine Ausbildung machen. Bekommt null Unterstützung, da ungeklärt ist, ob vielleicht Reichtum in Familie vorhanden, obwohl nicht einmal ansatzweise davon die Rede sein kann.
Staatliche Unterstützung: Null
Fall B: Mehrköpfige Familie in Nachbarschaft
Nebenan wohnen 6 Personen. Niemand davon hat jemals in die Sozialkassen eingezahlt, niemand davon möchte arbeiten und macht auch keine Anstalt, Arbeit zu finden.
2 Säuglinge in Pflegefamilien untergebracht.
1 Achtzehnjährige, vollkommen realitätsfern und lebensunfähig, in Pflegefamilie untergebracht.
1 Familienhelferin für die weiblichen Familienmitglieder kommt mehrmals wöchentlich zur Familie
1 Familienhelfer für den einzigen "Kerl" dort kommt ebenfalls mehrmals wöchentlich in die Familie
Wohnungseinrichtung teilweise gestellt
Tapeten, Teppiche, Dekokram teilweise gestellt
Staatliche Unterstützung: mehrere Tausend monatlich
... und da soll man nicht ins Grübeln kommen, ob das alles noch so seine Richtigkeit haben kann.....
Was sagt denn die Behörde, wie Sie die Einkünfte für 2014 und 2015 nachweisen sollen? Für 2013 könnte es ja auch die Gewinnermittlung sein oder besser noch, das, was sie dem Finanzamt in Ihrer Einkommensteuererklärung mitgeteilt haben oder demnächst mitteilen werden.
... habe vor ein paar Jahren Bafög bekommen und obwohl offensichtlich war, dass es bei meinen Eltern nichts zu holen gab, musst auch immer wieder hart darum kämpfen (während der Sohn eines Studienrates und einer Lehrerin, beide im Berufsleben stehend, problemlos Geld bekommen hat).
Ich weiß nicht was die Tochter sonst noch beantragen kann, z. B. Wohngeld, oder ob das in der Ausbildung nicht geht.
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur den Tipp geben:
Anrufen oder besser noch persönlich auf die Ämter gehen, da kommt meist mehr rüber als bei Schriftverkehr. Außerdem hat man zu jedem neuen Brief wieder fünf Fragen, so kann man gleich Rückfragen stellen. Die sind zwar nicht immer freundlich, aber man bekommt wirklich schneller was man braucht.
Ich weiß nicht, an welches Amt man sich wegen BAB wenden muss, aber auf jeden Fall mal beim Sozialamt einen Termin machen und klären für was sie überhaupt Geld bekommen könnte.
Ich drücke die Daumen!