Montag, 21. Juni 2010
Anstatt
Die Gleichgültigkeit ist nicht gespielt. Sie ist echt. Das, was da noch sticht, manchmal, an schlechten Tagen, das ist nur verletzte Eitelkeit. Heimliches Ärgernis. Und Wut darüber, dass ich zu "anständig" bin, dich bloßzustellen. Zu zeigen, wer und was du wirklich bist. Wie armselig du in Wahrheit bist. Rache üben. Nicht, weil du armselig bist, sondern weil es dir egal ist, dass ich dich durchschaute und ging. Ich ging und es ist dir egal. Darauf habe ich gehofft, ja, sicher, aber es ärgert mich dennoch. Und deshalb würde ich gerne, nur zu gerne, den Wicht hinter dem Helden hervorzerren. "Seht her, das ist doch nur ein Wicht!"

Aber ich tue es nicht. Weil man sowas nicht tut. Das verbietet der Anstand. Anstand: als Kind mit den Löffeln gefressen, damit niemand schlechtes denkt und alle sagen "Was für ein liebes, guterzogenes Kind das doch ist!"

Es ist anständiger, an Wut zu ersticken, als den Anstand zum Teufel zu schicken um sich Luft zu machen. Lieber mit den Zähnen knirschen als sie offen zu zeigen, ganz schamlos und mit Vergnügen am Bösesein. Wobei böse sein und Bösesein auch noch zwei verschiedene Dinge sind und ich die richtig bösen Dinge ohnehin nie tun würde.

Wie nichtsnützig Anstand doch ist. Vor lauter Anstand erfüllt mich meine Lust am Anstandverhauen sogar noch mit Scham. Alleine der Gedanke ans unanständig Bösesein kommt mir nicht anständig vor.

Womit ich bei der Würde angelangt bin. Viele verwechseln ja Würde mit Anstand. Dabei kann man durchaus würdevoll schrecklich böse sein. Bestimmt kann man das. Nur ich kann das nicht. Ich bin durch und durch würdelos, aber dieses anständig.

Da ist doch ganz fürchterlich etwas schief gelaufen in meiner Erziehung.