Montag, 23. September 2013
Das Landvolk hat gewählt
Es bleibt dabei, dass die einzige Förder- und Sprachlernschule für Schulanfänger im Landkreis geschlossen wird. Und das nachdem Eltern erst kürzlich heftig darum gekämpft haben, die vor wenigen Jahren teuer ausgebaute und modernisierte "normale" Grundschule auf dem Land zu erhalten.

Es bleibt dabei, dass ländliche Krankenhäuser geschlossen werden, oder, bestenfalls, zusammengelegt. Haus A beherbergt die Patienten, Haus B, 25 Kilometer weit entfernt, die Verwaltung und Haus C, nochmal 25 Kilometer weit entfernt, macht die Laborarbeiten.

Es bleibt dabei, dass ländliche Freibäder geschlossen werden, oder in Vereinshände übergeben, mit einem festen Budget und wenn das nicht ausreicht, dann eben doch geschlossen.

Es bleibt dabei, dass Arztpraxen dicht machen, weil keiner mehr Lust hat, die ollen, schrulligen Landeier zu versorgen. Lohnt sich erstens nicht und ist zweitens ohne Perspektive. Landarzt zu sein, das ist nur in kitschigen Fernsehserien attraktiv. Im echten Leben ist es eher bitter.

Es bleibt dabei, dass Fernzüge am Landbahnhof vorbeigeleitet werden und nur der Milchkannenexpress bleibt. Macht aber nichts, weil die wenigsten noch die Preise für ein Fernticket bezahlen können und man ohnehin drei Tage Urlaub einrechnen muss, für eine Fahrt durch die Nation, um die Verspätungen, Streckenausfälle und Zugführerpannen aufzufangen.

Es bleibt dabei, dass die ländliche Postfiliale auf einen gelben Briefkasten geschrumpft ist und der Weg zur Post für allem für ältere Landeier zu einem Tagesausflug geworden ist.

Es bleibt dabei, dass die Schulversorgung sich jetzt Ganztagsschule nennen darf, dabei aber verschwiegen wird, dass zwei Drittel davon Arbeitsgruppen wie Sport, Basteln, Kochkurse sind. Das übrige Drittel wird versucht, ausfallsfrei zu unterrichten - wobei Musik nicht mehr unterrichtet wird, weil dafür die Ressourcen fehlen.

Es bleibt dabei, dass an der Berufsschule in der Kreisstadt nach und nach allerlei Berufsrichtungen gestrichen werden und die Berufsschüler zwei Stunden Fahrt einrechnen müssen, um zur nächsten Schule mit eben diesen Zweigen zu gelangen. Von den Fahrtkosten mal ganz zu schweigen.

Es bleibt dabei, dass so mancher länger arbeitet, als er kann und will, aber wenn er den Gang zum Sozialamt vermeiden will, muss er die Arschbacken zusammenkneifen oder sich ein Attest ausstellen lassen, in dem steht, dass er nicht mehr alle Latten am Zaun hat und daheim bleiben darf. Herzerkrankungen, Gehbehinderungen, Hörstürze sind nämlich kein Grund, ab 60 in Rente gehen zu dürfen. Und hier auf dem Land sind die Arbeitsplätze ja so dermaßen reichlich, dass man sich kaum noch davor retten kann.

Es bleibt also dabei. Das Landvolk hat gewählt. Das Landvolk hat genau dieses gewählt. Ich bin sprachlos.