Mittwoch, 28. Juli 2010
Mein erster Auslauf
führte mich ins Einkaufszentrum.

Und, ich wage kaum es zuzugeben: ich bin platt. Wie eine Flunder. Das liegt nicht daran, dass ich so viel gekauft hätte. Oder unser Einkaufszentrum so weitläufig wäre. Vielmehr ist mir der natürliche Ablauf des Gehens abhanden gekommen.

Wie geht man einfach so? Linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß usw., und das ohne darüber nachzudenken, und ohne den Fuß bewusst aufzusetzen, bewusst wieder anzuheben, bewusst das Bein vorzuschieben und so weiter, und so fort?

Und dabei habe ich immerzu ganz bewusst aufs Humpeln verzichtet. Habe nur gehinkt, wenn ich gar nicht mehr anders laufen konnte. Und nun kann ich nicht mehr laufen, ohne mich zu fragen, ob das so richtig ist.

Herrgottnochmal!

***

Anruf von der Krankenkasse erhalten und zu einem "Beratungsgespräch" eingeladen worden. Wobei, wie ich vermute, die Beratung denen selbst zugute kommen soll. Denn noch zwei Wochen länger krankgeschrieben, endet die Lohnfortzahlung und das Krankengeld beginnt. Und das tut dann denen weh - mir eher weniger. Wobei ich sofort und ganz spontan mit den Worten "wenn ich hier noch länger rumsitze, werde ich noch fetter" geantwortet habe und eine Verlängerung der Krankmeldung rigoros ausschloss. Auf der anderen Seite führte das zu amüsiertem Gelächter. Nun, der kann ja nicht wissen, wie es ist, fett zu sein und wie schwer, es nicht mehr zu sein. Und mit "fett" meine ich "fett". Nicht mollig, nicht dicklich, sondern "fett".

Der kann ja auch nicht wissen, wieviel ich bereits seit Mai, dem Anfang meiner Unfähigkeit zu Laufen, zugenommen habe. Und wieviel näher mich das an mein damaliges Höchstgewicht bringt - eine Zahl, die auszusprechen mir so unendlich schwerfällt und die mir, stelle ich sie mir in der Anzeige der Waage vor, die Luft zum Atmen abschnürt.

Kilo für Kilo kehren langsam aber stetig zurück und ich gerate langsam aber stetig in Panik. Denn was die Waage sagt, ist nicht einmal die ganze Wahrheit. Mit dem Ende des Trainings kommt auch das Ende der Muskulatur. Bereits nach 7 Wochen Untätigkeit baut der Körper ungenutzte Muskulatur ab (wozu soll die auch ernährt und durchblutet werden, ist doch unnötige Arbeit). Da Muskulatur aber schwerer als Fett ist und ich dennoch nicht ab-, sondern zunehme, ist die tatsächliche Fettzunahme deutlich gravierender als nur die Zahlenangabe der Waage.

Ich muss wieder auf die Beine kommen. Dringend. Mich bewegen, Energie verbrauchen, den Stoffwechsel hochpuschen, sonst... habe ich verloren. Noch einmal von ganz vorne anfangen, ich glaube, das schaffe ich nicht ein zweites Mal.




Dienstag, 27. Juli 2010
Rufen Sie mich an!
Sie haben nix weiter zu tun und ein funktionierendes Telefon zur Hand und:
  • Sie halten sich für den Mittelpunkt der Erde und bekommen dennoch nicht genügend Aufmerksamkeit?
  • Sie haben niemanden, der verständnisvoll den Schilderungen Ihrer ach so brisanten Alltagsbagatellen zuhört und wertvolle Tipps und Ratschläge hat, die Sie standhaft allesamt nicht befolgen?
  • Sie handeln stets besseren Wissens und brauchen jemanden, der Ihre permanenten Fehlhandlungen zur Kenntnis nimmt?
  • Sie machen sich selbst etwas vor und benötigen dringend eine Bestätigung, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt?
  • Sie haben nicht mehr alle Schindeln auf dem Dach, betrachten aber den Besuch bei einem ausgebildeten Therapeuten als überflüssig?
  • Sie haben die Hotline-Nummer der Kummerkastenseelsorge verlegt?
Dann habe ich DIE Lösung für Sie! Greifen Sie zum Telefon und
  • machen Sie es wie meine Blutsverwandschaft und rufen Sie mich mehrmals täglich an, um mir die allerneuesten Entwicklungen in Ihrem verfahrenen Leben zu schildern.
  • nehmen Sie sich ruhig Zeit, ich habe ja sonst nichts zu tun. Beklagen Sie sich ausgiebig und bedauern sich selbst abgrundtief. Reden Sie ruhig immerzu über dasselbe oder wandeln Sie allerhöchstens die Satzstellung ein wenig um. Unterbrechen Sie mich, wenn ich konstruktive Kritik zu üben versuche oder gar einen wirklich hilfreichen Rat parat habe.
  • ignorieren Sie alle meine Tipps und Hinweise und rufen Sie stattdessen ein paar Mal öfter an um sich über Ihren beklagenswerten Zustand auszulassen.
  • seien Sie beleidigt oder fangen Sie zu weinen an, wenn ich einmal keine Zeit oder Geduld für Sie habe.
  • besprechen Sie meine Äußerungen danach ausgiebig mit anderen, vorzugsweise mit jenen, über die sich bei mir beklagt haben und einigen Sie sich mit diesen dazu, dass ich die Hauptschuldige an all Ihrem Schlamassel bin.
  • entschuldigen Sie sich tausendfach für alle Ihre Fehler und die Mühen, die Sie mir bereiten, ändern Sie aber auf keinen Fall etwas an Ihrem Verhalten, sondern machen Sie genauso weiter wie bisher - und entschuldigen Sie sich auch weiterhin dafür.
Nun, worauf warten Sie noch!
Rufen Sie mich an!
Jetzt!





Montag, 26. Juli 2010
Spieglein, Spieglein
Scheinbar verschwinden alle diejenigen, bei denen ich ganz vorsichtig bereit bin, einen losen, fast vertrauensvollen Kontakt zuzulassen, sang-, klang- und spurlos in den Weiten des Webs.



Mitmachblogs



(Staring at the sea)


I believe in nothing
One hundred suns until we part
I believe in nothing
Not in sin and not in God
(aus: 30 Seconds to Mars, 100 Suns)


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Mit dem Ende der Krücken kam das Ende der Fürsorge. Inzwischen ist mein Status "Krank" nur noch auf dem gelben Schein vorhanden, ansonsten hat man mich wieder vollkommen mir selbst überlassen. Nicht, dass mich das großartig überfordern würde - ich hätte ohnehin nicht noch länger auf dem Sofa herum gelegen - wurmen tut es mich aber dennoch. Wenn jemand anderes krank ist, wird von mir nämlich ein anderer Einsatz erwartet. Ein vollkommen anderer. Da kann mitunter nicht einmal mehr ein Telefongespräch entgegen genommen werden, während ich schon seit zwei Tagen munter die steile Treppe zur Waschküche hinunter und herauf humpele, im Folgeschritt, weil ich mich nicht traue, das rechte Knie zu belasten - tut ohnehin zu weh, um damit normal treppensteigen zu können.

(But: it's not a wonder, it's a Erfahrungswert.)

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Der Wunsch nach einschneidenden Veränderungen wispert mir immer wieder diverse Gedanken ins Ohr. Und machmal, damit ich auch wirklich zuhöre, brüllt er, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. Und je weniger ich in der Lage bin, aus dem Umständen heraus, tatsächlich Veränderungen herbeizuführen, desto dringender äußert sich der Wunsch danach und beklagt sich, dass ich seinerzeit nicht geblieben bin, wo ich war, nämlich außer Reichweite und mit diesem Funken Freiheit und Selbstbestimmung, dem ich heute wölfisch hinterher heule.

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Richtig garstiges Ding bin ich heute. Aber garstig sein alleine reicht nicht aus. Davon dreht sich eben kein Kreis anders herum.