Vorbei am...
... Haarstrang, diesen Ort, über den ich gerne glucksend lachen würde, es aber einfach nicht kann. Weiterfahren und weiter und die Schilder führen endlich andere, neutrale Städtenamen. Solche die mir egal sind. Ganz egal.

Das Schlucken und stumme Zähnefletschen. Das Kämpfen gegen das Heulen ganz tief aus der Brust heraus, immer wieder beharrlich oben anklopfend wie ein hartnäckiger Schluckauf. Dankbar plötzlich über die Gedanken an den Einen der da hinten irgendwo lebt. Ein Leben, das so ganz anders ist als das, was er mir zugewispert hatte, genauso wie ich es tat. Ja, ich mag an Jenen denken, der mir sehr weh getan, weil ich es so wollte und es so zuließ. Lieber an Jenen denken, in Resignation und latentem Zorn,als zu weinen über etwas, das ich nicht drehen, wenden, lenken, ändern kann, so gerne ich es würde. Nicht an die Mutter denken, die so klein und schmal geworden ist und so fremd aussieht unter der natürlichen Vertrautheit. Die Mutter, die sich aufs Sofa setzt, weil sie so müde ist - das hat sie nie getan, niemals zuvor und ich habe Angst, dass die vielen nächtlichen Träume zuvor Wahrheit werden, bald schon, und dieses heulkrampfige Elend mich tatsächlich bei Tage einholt.

So vieles, was geschehen ist, viel mehr, als in ein Leben gehört, und so viel Wut und Zorn und Schuld - und doch auch so viel Mutter, immer und immer und immer mehr, jetzt wo sie so klein und schmal geworden ist. Worte gingen niemals gut aus zwischen uns, und werden es auch nie, aber reichen alle die kleinen Zeichen zu zeigen, dass ich vergeben und vergessen habe und doch niemals vergessen werde? Sie nicht und auch nicht die guten Zeiten, Momente und Gesten aus vielen Jahren, gute und böse und vollkommen stille Jahre.

Als ich weit weg war und sie mir immer schrieb. Lange Briefe, ohne all diese bösen, beißenden Dinge, die zuvor immer zwischen uns standen. Als ich Heimweh hatte nach der Küche und nach ihr, wenn alle anderen irgendwo im Haus waren und wir beide allein in der Küche saßen. Daran muss ich denken und in der Nase kneifen Tränen, die nicht heraus sollen. Nicht dürfen. Ich werde nicht weinen, nicht jetzt, denn jetzt ist sie noch da. Sie ist noch da. Und ist ein solches altes, zähes Luder, wie ich selbst es auch bin und hoffe, auch später zu sein.

Denken an den Einen und alle die Lügen, die er mir erzählte und ich ihm. Ihm Gutes wünschen und die Pest. Und den Zorn fühlen und spüren, wie er eigentlich gar nicht mehr da ist. Festhalten muss ich die Wut, damit da überhaupt noch was ist, außer Scham vor mir selbst. Und dabei immer weiter fahren, raus aus diesem Tränental tief im Westen, nach Hause. Geheult wird nur daheim.