A story about
|heim|weh|:
Eine Geschichte, wie viele davor und noch mehr danach. Eine dieser wundervollen, sommerlichen Feten. Ich war noch jung, eine von den Wilden und, ich darf es ungehemmt sagen, einen von den Schönen. Es war weit nach Mitternacht, die Stimmung war allerbestens. Gerade lachte ich noch und dann, von einem Moment auf den anderen, mittendrin, fühlte ich mich urplötzlich so dermaßen unwohl, dass ich nur noch an Flucht denken konnte. Nein, es war nichts passiert. Niemand hatte mich schräg angeguckt, niemand hatte etwas gemeines über mich gesagt, ich trug weder unpassende Kleidung noch hatte ich einen Fleck am Knie oder dergleichen. Und dennoch. Ich fühlte mich plötzlich wie ein Fremdkörper. Wie jemand, der absolut nicht dorthin gehörte. Ein Eindringling, den niemand dahaben wollte, den aber auch niemand unhöflich wegzuschicken wagte.
Ich ging. Mitten in der Nacht. Heimlich und ganz allein. Zu Fuß über die stockfinstere Landstraße bis es allmählich hell wurde und die ersten Wagen an mir vorbeifuhren. Jemand hielt schließlich an und brachte mich fast bis vor meine Haustüre. Und kaum, dass ich drin war, in meinen vier Wänden, flammte der Wunsch auf, umgehend wieder zurückzukehren. Alle dort haben Spaß, sind lustig, tanzen, lachen, kochen wahrscheinlich schon Kaffee. Irgendjemand wird Brötchen besorgen und eine frische Schachtel Zigaretten. Sie alle werden dieses wohlige Gefühl des "Wir" haben, das eine solche Party unter einem sternenbehangenen Himmel in warmer, milder Nachtluft tief in einem Menschen auszulösen vermag.
Ich ging nicht zurück, denn wenn der heimliche Aufbruch schon kaum zu erklären war, wie sollte denn diese Rückkehr, Stunden später, zu erklären sein? Ich wusste, dass ich mich damit erst recht ins Aus gebracht hatte. Das, was vorher nur ein undefinierbares Gefühl in mir war, war durch mein Handeln zu etwas mit Substanz geworden. Beim nächsten Zusammentreffen hörte ich mir lächelnd die Erzählungen über das Ende der Party an und tat dabei so, als würde es mir rein gar nichts ausmachen, nicht dabei gewesen zu sein. Über mein Verschwinden erfand ich eine Lüge, Kopfschmerzen, Übelkeit, irgendetwas dergleichen, und während alledem spürte ich schmerzhaft stechend, wie ich mich von der Gruppe ein langen Schritt entfernt hatte. Ich hatte mich aus der Gruppe entfernt (- das ist wichtig! -) und nicht die Gruppe von mir. Und genau das wollte ich doch, als ich ging. Oder etwa nicht? Und warum tat das jetzt so verdammt gräßlich weh?
Die Nacht war irgendwann vergessen, geblieben ist jedoch das Wissens um einen Verlust. Einen jener Sorte, der nicht hätte sein müssen, und der, selbst wenn er rückgängig zu machen wäre, genau diesen Missklang hinterlassen würde, den ich zuvor zu spüren geglaubt habe, ohne dass er tatsächlich dagewesen wäre.
Die Ferne Spezialist
für Heimweh ist.
(Erhard Horst Bellermann)
06. Juli 10
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